Daily Archives: 20. Februar 2015

Punta Arenas

Die Magellanstraße mit ihren Fallwinden war jahrhundertelang der Alptraum aller Seefahrer. Ein eiskalter Wind bläst fast ganzjährig durch die weiten Ebenen Patagoniens. Selbst unsere Landung mit dem Flugzeug in Punta Arenas geht ziemlich wackelig von statten. Patagonien, diesen Namen trägt das Land seit der Magellan-Expedition, die im Jahre 1520 hier vorbeisegelte und so den Weg in den Pazifik fand. Warum man das Land so nannte, ist umstritten. Historiker vermuten aber, dass man die Einwohner wegen ihrer großen Füße einfach „Großfüße“ (Patagones) nannte.

Nach der Entdeckung des nach ihm benannten Seeweges durch Magellan passierte jahrhundertelang in der Region erst einmal recht wenig. Viele versuchten zwar Magellan zu folgen, durchquerten die Magellanstraße oder scheiterten in den unzähligen Kanälen und Fjorden Südpatagoniens und Feuerlands. Von Interesse war für alle immer nur die Wasserstraße – der Weg in den Pazifik. Einen Panamakanal gab es da noch nicht – dieser eröffnete erst 1914. Das Binnenland blieb so bis Mitte des 19. Jahrhunderts ein weißer Fleck auf der Landkarte.

Auf 53 Grad und 10 Minuten südlicher Breite liegt die Stadt Punta Arenas (übersetzt „sandige Spitze“) direkt an der Magellanstraße mit Blick auf das gegenüber liegende Feuerland. Es ist die südlichste auf einem Kontinent (und nicht auf einer Insel) gelegene Stadt der Welt. Südlicher liegt nur noch die Stadt Ushuaia auf der Insel Feuerland.

Mitte des 19. Jahrhunderts als Strafkolonie und Militärstützpunkt gegründet entwickelte sich Punta Arenas dann allerdings recht schnell zu einem wichtigen Hafen. Handelsschiffe mit Gütern für bzw. aus Chile und Peru sowie Einwandererschiffe machten hier auf dem Weg durch die Ost-West-Passage Station. Mancher Einwanderer oder Reisende blieb einfach. 1876 bekamen die Einwanderer offiziell das Recht zur Schafzucht – Land war unendlich vorhanden und den Schafen bekam das Klima gut. Innerhalb kürzester Zeit konnte man hier sehr reich werden mit dem weißen Gold – der Wolle. Die Besitzer der riesigen Estanzias ließen sich Paläste “in der Stadt”, Punta Arenas, bauen.

Etwas ungewöhnlich, da direkt auf dem Weg vom Flughafen etwas außerhalb der Stadt gelegen, beginnt unsere Besichtigung Punta Arenas mit einem Friedhof. Dem wohl schönsten Friedhof Chiles – einem Nationaldenkmal. Hier liegen unter anderem die Familien der Schafbarone begraben.

IMG_1863 (Mittel)

 

Gestiftet wurde das Friedhofsgebäude von Sara Braun, der Tochter einer solchen Schafsbaron-Dynastie, der Familie Braun-Menéndez, später verheiratet mit José Nogueira.

IMG_1860 (Mittel)

 

Säulenförmig geschnittene Lebensbäume säumen Alleen, in denen sich der verflossene Reichtum der Gründerzeit bewundern lässt.

IMG_1840 (Mittel)

IMG_1838 (Mittel)

IMG_1859 (Mittel)

IMG_1867 (Mittel)

Das vielleicht auffälligste Grabmal, das der Familie Braun-Menendéz. Eine Mischung aus Barock und Jugendstil.

IMG_1853 (Mittel)

IMG_1855 (Mittel)

 

Aber auch ärmere “Leut” liegen hier. Gemeinsame Grabstelle vieler Deutscher unter dem Kreuz “Deutsche Krankenkasse”.

 

IMG_1844 (Mittel)

IMG_1845 (Mittel)

 

Und noch so einer, der nicht zum Establishment gehörte, liegt hier. Grabmal des unbekannten indianischen Ureinwohners – später zur Kultstätte geworden.

IMG_1876 (Mittel)

 

Ansonsten geht es durchaus recht unkonventionell und bunt bis chaotisch auf dem Friedhof zu. Jeder verehrt seine Toten nach seiner Facon.

IMG_1872 (Mittel)

IMG_1873 (Mittel)

IMG_1874 (Mittel)

IMG_1878 (Mittel)

IMG_1882 (Mittel)

 

Den Höhepunkt dessen stellt ein Grab dar, bei dem aus einem kleinen Lautsprecher in einer Endlosschleife geistliche Musik gespielt wird.

 

… `raus aus dem Friedhof und weiter in die Innenstadt.

IMG_1879 (Mittel)

 

Ich steige am zentralen Platz der Plaza de Armas aus und erkunde die Stadt alleine weiter. Im Hintergrund zu sehen der Turm der Kathedrale.

IMG_1951 (Mittel)

 

Vorderfront der Kathedrale. Der Platz ist rundherum noch heute weitgehend mit Gründerzeithäusern bebaut.

IMG_1885 (Mittel)

 

In der Mitte des Platzes die Hauptperson. Ein pathetisch über zwei Ureinwohnern symbolisch stolz hinwegschreitender Magellan aus Bronze. Er war wirklich ein Großer – dagegen fallen m.E. die Leistungen etwa des um ein Vielfaches bekannteren Kolumbus, der nur über den kleinen Teich bis in die Karibik gesegelt ist, deutlich ab. Was Magellan gemacht hat, verdient da vergleichsweise wirklich Respekt. Wer Lust auf mehr hat, sollte mal die von Stefan Zweig geschriebene gute Biografie Magellans lesen.

IMG_1888 (Mittel)

 

Die beiden Ureinwohner (einer links, einer rechts) repräsentieren die später ausgerotteten Stämme der Aonikenk und der Ona. Die beiden Schwänze der Meerjungfrau auf der Front repräsentieren Atlantik und Pazifik.

IMG_1936 (Mittel)

 

Angeblich kehrt man nach Patagonien zurück, wenn man den großen Zeh eines der beiden Ureinwohner küsst. Der ist schon ganz blankgeküsst!

IMG_1886 (Mittel)

 

Weitere schöne Baudenkmale rund um den Platz.

IMG_1892 (Mittel)

IMG_1924 (Mittel)

IMG_1941 (Mittel)

IMG_1939 (Mittel)

 

Eines sticht heraus. Das Stadtpalais von Sara Braun und José Nogueira. Sara Braun, geboren in Russland, kam 1874 nach Patagonien und heiratete 1887 den sehr erfolgreichen und reichen portugiesischen Geschäftsmann José Nogueira. Neben geschäftlichen Aktivitäten im Goldexport war Nogueira einer der ersten Pioniere in der Schafzucht und Gründer der “Sociedad Explotadora de Tierra del Fuego”. Sein Landbesitz erreichte Ende der 80er des 19. Jhdts. etwa die Marke von einer Million Hektar. Sara`s Bruder Mauricio verwaltete den Grundbesitz. Bereits im Alter von nur 48 Jahren verstarb Nogueira unglücklich an Tuberkulose. Doña Sara erbte alles, wusste allerdings auch das Erbe geschickt weiter zu managen. 1895 wurde das fünf Jahre vor seinem Tod durch Nogueira und Braun beim französischen Architekten Numa Mayer in Auftrag gegebene Stadtpalais endlich fertiggestellt. Nahezu alle Materialien zum Bau des Palais sowie alle Möbel und Einrichtungsdetails wurden per Schiff aus Europa durch die Magellanstraße herangeschafft. Unglaublicher Reichtum am Ende der Welt!

IMG_1916 (Mittel)

IMG_1918 (Mittel)

IMG_1971 (Mittel)

IMG_1969 (Mittel)

IMG_1956 (Mittel)

IMG_1958 (Mittel)

IMG_1959 (Mittel)

IMG_1961 (Mittel)

IMG_1962 (Mittel)

IMG_1963 (Mittel)

IMG_1967 (Mittel)

 

Nach Besichtigung des Palais setze ich meinen Spaziergang durch die Stadt fort.

IMG_1952 (Mittel)

 

Hier werden Churros verkauft, ein längliches, in Fett gebackenes Krapfengebäck. Man kennt es vielleicht auch aus Spanien.

IMG_1953 (Mittel)

 

Das Wetter meint es gut mit mir, kein Wind (ungewöhnlich) und laue 15 bis 20 Grad C. Alles scheint auf den Straßen zu sein.

IMG_1955 (Mittel)

IMG_1914 (Mittel)

 

Mir knurrt der Magen – seit dem kargen Frühstück im Flieger nichts gegessen. Stopp in einem kleinen Café. Sandwich und Agua sin gaz, zum Nachtisch einen leckeren Espresso.

IMG_1926 (Mittel)

 

Nun will ich mal `runter zur Magellanstraße.

IMG_1942 (Mittel)

 

Im Hintergrund zart und schemenhaft am Horizont zu erkennen die gegenüber gelegene Insel Feuerland. Rechts der Hafen von Punta Arenas. Einfach nur beeindruckend mal da gewesen zu sein. Als Foto wahrscheinlich nicht so spannend.

IMG_1928 (Mittel)

 

Wieder zurück durch die Innenstadt. Viele Zeitzeugen der glorreichen Vergangenheit. Heute halten angeblich nicht einmal mehr die Mehrzahl der Kreuzfahrtschiffe hier. Die sollen nach Ushuaia umgezogen sein.

IMG_1932 (Mittel)

IMG_1935 (Mittel)

 

Club der ehemaligen Kadetten der chilenischen Marine.

IMG_1934 (Mittel)

Die “Caleuche” ist ein Geisterschiff in der Mythologie der Chiloten, der Einwohner der Insel Chiloé. Der Sage nach erscheint es als ein schönes, leuchtendes Segelschiff mit den Klängen einer Feier an Bord, wodurch passierende Schiffe angelockt werden. Wie der Fliegende Holländer ist es in der Lage sich bei Bedarf dem Zugriff zu entziehen, indem es gegen den Wind segelt oder unter die Wasseroberfläche einfach abtaucht. Gesteuert wird es von singenden und tanzenden Brujos, den zentralen Figuren der Mythologie der Chiloten, die als Hexer über schwarzmagische Kräfte verfügen und darauf aus sind, rechtschaffene Chiloten ins Verderben zu stürzen. Die Besatzung des Schiffs besteht einerseits aus wiedererweckten Ertrunkenen und andererseits aus versklavten Fischern und Seeleuten, die von den Brujos eingefangen wurden.

 

Zum Abschluss meiner Besichtigungstour erklimme ich einen Aussichtspunkt über der Stadt, um von oben noch einmal einen letzten Blick über Stadt und Magellanstraße schweifen zu lassen.

IMG_1894 (Mittel)

IMG_1897 (Mittel)

IMG_1903 (Mittel)

 

Kult hier oben, einige Strommasten mit von Touristen angebrachten Entfernungsschildern bis in “die” Heimat.

IMG_1911 (Mittel)

 

.